Der heiße Stuhl – die DEM 2018 als Schiedsrichter, ein Erfahrungsbericht

Der Verband

Die DEM als Schiedsrichter zu erleben, ist sicherlich noch einmal eine ganz andere Seite als als Spieler oder Zuschauer. Für den SVSH e.V. waren dafür Torsten Riegler, Schiedsrichter-Obmann, und Jörg Kraft nominiert. Für Jörg war es die erste nationale Meisterschaft als Schiedsrichter. Er berichtet uns von seinen Erfahrungen.

Kaum zu glauben, was ich in den drei intensiven Tagen im Sportwerk Hamburg als Mitglied des Schiedsrichterteams erlebt habe. Mit all dem hatte ich ja gar nicht gerechnet, als ich im letzten Herbst mit Christian, Kai und Torsten über ein mögliches ehrenamtliches Engagement im SVSH sprach. Eigentlich hatte ich nur an die Unterstützung von Kai Rixen im Bereich der Jugendförderung gedacht. Dann kam aber Torsten Riegler auf die Idee, mich nach meiner Meinung zum Schiedsrichterwesen zu befragen und ob ich mir vorstellen könne, ihm ein wenig zu helfen, z.B. bei der DEM 2018 in Hamburg. Nun ist uns Spielern das Schiedsen ja nicht fremd, denn jeder Ligaspieltag verlangt nach dieser manchmal auch undankbaren Dienstleistung. Aber auf DLR/WRL Niveau vom Qualifikanten bis hin zu PSA Spielern – wow, das ist schon eine ganz andere Nummer!

Trotz – oder auch vielleicht wegen meines großen Respekts vor dieser Verantwortung konnte Torsten mich davon überzeugen, dass er selbst, der Bundes-Schiedsrichterobmann Willi Eickworth und die erfahrenen Kollegen im Team schon dafür sorgen werden, mich nicht zu verbrennen. Ich sagte kurzentschlossen zu.

So habe ich mir dann das Regelwerk unter mein Kopfkissen gelegt, zig YouTube Videos in Bezug auf Schiri-Entscheidungen gesichtet und die Ansagen geübt, um Torstens Vertrauen nicht zu enttäuschen – was immer daraus wird. Willi hatte mir nämlich inzwischen auch die Nominierung geschickt und so gab es kein Zurück mehr.

Am Mittwochabend vor dem Turnierstart ging es mit der Vollversammlung der Schiedsrichter-Beauftragten der Landesverbände 2018 im Lindner Hotel Hagenbeck los. Dort hatte ich dann Gelegenheit, die meisten der etablierten Kollegen rund um Willi und Torsten kennenzulernen. Außerdem waren noch Vertreter der DSL und der Landesverbände, Nationalspieler und der Bundestrainer Oliver Pettke dort.  Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und gleich auf Eignung geprüft. Nachdem die ersten Schweißtröpfchen auf meiner Stirn getrocknet waren, ging es in der Sitzung um den Verhaltenscodex der Schiedsrichter, den Dress-Code, Kommunikationsregeln, Ausbildungsfragen und nicht zuletzt um das erstmals zu testende Live Scoring System von Squore, das Michael Gäde vorstellte. Neben dem obligatorischen Spielberichtsbogen sollte nämlich von den Schiedsrichtern auf einem Tablet Computer der Live Score für Zuschauer und Online-Interessierte festgehalten werden.  So eingenordet endete der Abend mit netten Anekdoten und dem einen oder anderen Getränk an der Hotelbar.

Donnerstagmittag ging es dann so richtig los. Kurzes Briefing und Einkleidung durch Willi und dann gleich die erste Qualifikanten-Runde. Ich hatte mir das erste Match vorher selbst ausgesucht und durfte mich nicht beschweren, dass es statt der Aufwärmnummer für mich gleich ein hart umkämpftes 5-Satz-Spiel war, das über 70 Minuten fast 30 Entscheidungen von mir forderte. Danach sofort zu Spiel #2, das dann noch einmal über 5 enge Sätze ging und auch sehr emotional war. Meine Feuertaufe also – das spielerische Niveau und der Anspruch lagen deutlich über meinen sonstigen Landesliga-Matches. Das Testat und Feedback von Kollegen und Spielern war dann aber sehr positiv, sodass ich mächtig erleichtert und motiviert die nächsten Spiele und Tage angehen konnte.

Der Freitag startete dann schon wieder mit einem 5-Satz-Spiel über 1:25h, mit vielen Entscheidungen und einer engagierten Stimmung im Court. Also viel zu tun für mich am frühen Morgen – viel mehr als ich es gedacht hatte. Selbst die Kollegen frotzelten schon darüber, dass ich immer solche Brocken bekomme und dadurch der ganze Zeitplan, den Christian Wucherer und Willi aufgestellt hatten, durcheinanderkam. Dank der Aufmerksamkeit der Kollegen und der Spielleitung lief es aber besser als bei der Bahn – keine Störungen im Betriebsablauf.

Nach weiteren vier Spielen, die aber nicht alle so intensiv waren, den Zwischenbesprechungen mit Spielleitung, Willi und den Kollegen habe ich den Freitag als sehr anstrengend empfunden. Die Kollegen nutzten viele Gelegenheiten zum Coachen und für Tipps – immer hart aber fair. Auch meine Meinung zu besonderen Spielsituationen war von den Kollegen gefragt. So erfuhr ich eine wunderbare Wertschätzung, die dieses Schiri-Team an sich auszuzeichnen scheint.

Besonders eindrucksvoll war für mich, dass alle Schiris ständig um maximale Fairness und regelkonforme Entscheidungen bemüht sind und das auch immer wieder hinterfragen. Niemandem war es egal, wie und warum nun eine Entscheidung wie Ball an, Let, kein Let oder eine Verwarnung zustande gekommen war. Durch das kontinuierliche Feedback und Diskutieren, schärften alle ihre möglichst objektive Einstellung zur eigenen Spielleitung und zu den Spielern.

Der emotionale Höhepunkt am Freitag war sicher dann das Herren Viertelfinalspiel zwischen Tim Weber und Rudi Rohrmüller, das den Spielern und dem Schiedsrichter wirklich fast alles abverlangte. Nicht nur die intensive Interaktion im Dreieck Spieler-Spieler-Schiedsrichter mit Entscheidungen und emotionalen Reaktionen während des ganzen Spiels waren hier maßgebend. Auch das Publikum hatte seinen Anteil, die Atmosphäre entsprechend aufzuheizen. In der Situation habe ich den erfahrenen Kollegen Sven Widmann nicht beneidet. Der saß wirklich auf dem heißen Stuhl mitten in der kochenden Menge. Aber unabhängig davon, ob er nun im Bruchteil der Sekunde alles richtig entschieden hatte oder nicht, das Wichtigste war die Konsequenz, mit der er das Spiel leitete. Mit seiner konstanten Entscheidungslinie hat er den Spielern erklärt, was im Rahmen des Regelwerks geht und was nicht geht. Diesen Mut und den Überblick zu bewahren und sich auch von der aufgeheizten Stimmung des Publikums nicht irritieren zu lassen, erfordert schon sehr viel Routine und Nervenstärke.

In der Nachbesprechung des Tages konnte ich dann ein Musterbeispiel an gutem Coaching mit Lob, Kritik, Empathie und Beispielen im Team der Schiedsrichter erleben. Eine besondere Herausforderung in diesem Kreis heterogener Persönlichkeiten, die hier in einem Team zusammenkamen. Vielen Betrieben und Unternehmensabteilungen stünde solch eine konstruktive Aufbereitung der täglichen Herausforderungen gut zu Gesicht. 

Der Samstag verlief dann für mich überraschend ruhig aber nicht langweilig. Toller Squashsport, nette und faire Spieler, klare Matches, exzellente Halbfinals und ein sehr leckeres Buffet mit allen Spielern, Funktionären und Begleitung.

Da ich am Finaltag wegen familiärer Verpflichtungen nicht dabei sein konnte, wurde ich abends bei der Nachbesprechung von allen herzlich verabschiedet. Eigentlich war ich schon froh, mich am Sonntag etwas ausruhen zu können, aber dennoch auch etwas traurig, den letzten Tag nun nicht mehr dabei zu sein.

Schlussendlich war das eine großartige Erfahrung zu erleben, dass es harte Arbeit ist, ein Spiel fair und regelkonform zu leiten. Alle Spieler, die sich intensiv auf dieses Turnier vorbereitet haben, verdienen es, die besten Schiedsrichterleistungen zu bekommen, die möglich sind. Genau diesem Anspruch ist Willi mit seinem Team gerecht geworden. Wichtig ist für mich der gegenseitige Respekt, mit dem sich Spieler und Schiedsrichter während des Spiels und außerhalb begegnen. Man muss sicher nicht immer einer Meinung sein, aber unterstellen dürfen, dass Willkür und Parteinahme in dieser Beziehung keinen Platz haben sollten.

Ich kann es nur jedem ans Herz legen, es mir nachzutun, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Danke an Willi, Torsten und das Team!

Jörg Kraft

 

Übrigens:

Als Spieler für den SVSH e.V. waren Fynn Schuck, Hendrik Remer und Kai Rixen bei der DEM in Hamburg vertreten. Fynn belegte den 5. Platz im Feld der Deutschen Amateurmeisterschaft. Hendrik und Kai übertrafen jeweils ihre Setzpositionen und belegten den 20. und 21. Platz im Hauptfeld.

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